«Wie kann die Digitalisierung in der Bau-und Immobilienwirtschaft die Effizienz erhöhen?»

Die PortaNet AG ist aktuell in einem vom Bund geförderten Innosuisse-Projekt mit diesem Thema als Hauptum-setzungspartner mit führenden Unternehmen aus der Bauzulieferindustrie (Jansen AG, Schenker Storen AG, Aepli Metallbau AG, GS1 Schweiz) involviert. Die OST-Ostschweizer FH ist der Hochschulpartner.

Eine gute Gelegenheit mit Thomas Kössler, VR und Mitinhaber der PortaNet AG, sowie Dr. Karl Neumüller, Projektleiter des Innosuisse-Projekts eine Zwischenbilanz zu ziehen. Durchs Interview führte Tamara Becker. 



PortaNet beschäftigt sich nun schon seit mehreren Jahren mit der Digitalisierung von Fenster und Türen. Erläutern Sie uns doch nochmals kurz, warum z.B. Türen digitalisiert werden sollten?

Thomas Kössler: Bisher war die Wartung bei der absoluten Mehrheit von unterhaltspflichtigen Funktionstüren (z.B. Brandschutztüren) oft nur nach einem zeitlich festgelegten Intervall möglich. Entscheidend für einen nachhaltigen Unterhalt ist aber auch die Nutzung, also Anzahl Zyklen und Sorgfalt, mit der die Türe behandelt worden ist. Es war unvermeidlich, dass oft genutzte Türen viel zu selten gewartet worden sind und Schäden erst beim Ausfall erkannt wurden. Mit der Möglichkeit der Digitalisierung über Internet der Dinge (IoT) kann dies optimiert und verbessert werden. Zudem werden Eigentümerinnen und Eigentümer damit entlastet, dass sie Störungen oder sogar Schäden selbst erst feststellen und auch noch melden müssen – unser Anspruch ist es, dass eine digitalisierte, intelligente Türe dies selbstständig macht, weiss wo sie sich melden muss, und dies in die Wege leitet, bevor der Schaden da ist – sie verlängert damit auch ihre eigene Lebenszeit erheblich.

Falls dann doch mal ein Schaden auftritt, welcher nicht detektiert wird z.B. ein Glasbruch, reicht das Abscannen des QID-TAG™ mit Absetzen einer Kurzmeldung und optionaler Fotobeilage – ab da laufen bereits die Reparaturarbeiten.

Der benachrichtigte Fachbetrieb hat Zugriff auf die notwendigen Dokumente für den Ersatz, hier idealerweise der damalige Glaslieferschein. Wir wollen, dass der Reparaturauftrag ohne langes Suchen und ohne Extrafahrten in die Wege geleitet werden kann.

Die Servicefirma ihrerseits hat die Möglichkeit ihre Einsätze besser und früher planen zu können. Der Ausfall, z.B. von Brandschutztüren, wollen wir gezielt voraussagen und dadurch vermeiden. Notfälle und Piketteinsätze können dabei reduziert werden. Im Rahmen der Personalplanung können gut ausgebildete Fachkräfte im Voraus viel gezielter, sinnvoller und effizienter eingesetzt werden.

Das sind wahrlich interessante und nachvollziehbare Argumente. Weshalb denn ein Innosuisse-Projekt?

Karl Neumüller: IoT-Anwendungen sind in der Planung sehr anspruchsvoll, da unterschiedlichste Partner involviert sind. Einen Nutzen für diese Anspruchsgruppen festzustellen ist das eine, aber den finanziellen Mehrwert zu bestimmen das andere. Übrigens ist dies nicht nur in der vorliegenden Branche so, sondern auch in vielen anderen Industrien. Wir entwickeln in Zusammenarbeit mit den Partnern im Projekt u.a. eine Simulationssoftware, die es ermöglicht, potenzielle Anwendungsfälle auf einfache Art und Weise darzustellen und diese bezüglich ihres finanziellen Mehrwert zu bewerten. Ziel ist es, dass die PortaNet AG gemeinsam mit ihren Kunden, Anwendungsfälle diskutieren und in Abhängigkeit der jeweiligen Bedürfnisse und Anforderungen dieser Kunden die Profitabilität der jeweiligen Anwendung vorhersagen kann.  

Thomas Kössler: Wir stiessen in unseren bisherigen und sehr zahlreichen Kundengesprächen der letzten Jahre tatsächlich durchwegs auf reges Interesse. Es gibt mittlerweile auch viele Kunden die den Schritt bereits gemacht haben und erfolgreich mit PortaNet unterwegs sind. Wir haben aber auch festgestellt, dass vereinzelt noch Hemmschwellen vorhanden sind und der Einstieg hin zu digitalisierten Bauteilen als zu komplex erscheint und noch etwas abschreckt. Wir sind deshalb an diesem Tool sehr interessiert und können damit wie gesagt bisherige, «chrono-analogen», Prozesse mit den interessanten Möglichkeiten eines digitalen Wartungsprozesses vergleichen und auf anschauliche Art und Weise mögliche Effizienzerhöhungen und Optimierungen demonstrieren. Gerade in Zusammenarbeit mit GS1 Schweiz können wir den gesamten Prozessablauf einheitlich über die GS1 Standards für die gesamte Branche digitalisieren (Profilhersteller – Türen-, Fenster- und Torbauer – Fassadenbauer – Storenanbieter - Serviceanbieter) und so neue Geschäftsmodelle ermöglichen..

  

Wie funktioniert diese digitale Lösung von PortaNet heute?

Thomas Kössler: Unsere cloudbasierte Prozess-Automatisierung "MyPortaNet" misst, steuert, dokumentiert und automatisiert den kompletten Lebenszyklus von Fenster und Türen. Die Nutzerinnen und Nutzer erhalten in Echtzeit statische Informationen zu den Bauteilen sowie dynamische Meldungen zur Nutzung, zu Störungen oder zu Wartungsaktivitäten. Die MyPortaNet -Software funktioniert im Zusammenspiel mit dem Sensor (CycleCounter®) und dem elektronischen Etikett (QID-TAG™). Sensor und Etikett werden bereits in der Werkstatt oder später auf der Baustelle auf eine Türe oder ein Fenster montiert und messen die jeweilige Beanspruchung und melden diese in die Cloud auf unser Portal MyPortaNet und bei Bedarf direkt per E-Mail an vorbestimmte Personen – die Türe wird quasi zum Sprechen gebracht. Das System wurde kürzlich vom EPA patentiert.



IoT verspricht viele Vorteile für die Unternehmen der Bau- und Immobilienwirtschaft. Eine kritische Frage dazu: – warum sind in Ihrem Innosuisse-Projekt keine Facility-Management-Unternehmen oder andere Anspruchsgruppen vertreten, die das Gebäude später auch nutzen?

Karl Neumüller: Wir fokussieren uns hier ausschliesslich auf die Nutzergruppen, die «zuerst» mit diesen Produkten (Sensoren und QID-TAG™) in Berührung kommen. Für den Erfolg muss hier ein klarer wirtschaftlicher Nutzen nachweisbar sein, denn das sind unsere «Inverkehrbringer».



Sie sprechen von wirtschaftlichem Nutzen. Wo liegt dieser genau?

 Karl Neumüller: Ehrlich gesagt: Überall - davon ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen! Das Zeigen unserer Beobachtungen und Analysen bis dato.



Das ist ziemlich pauschal ausgedrückt und hört sich geschönt an. Können Sie das näher erläutern?

Karl Neumüller: Gerne – haben wir uns in der Vergangenheit ausschliesslich auf die Nutzungs- und Wartungsphase beim Mehrwert konzentriert, sehen wir heute einen ganz klaren und einfach nachweisbaren Nutzen bereits in der Installationsphase von Produkten der Gebäudehülle – d.h. bei Fenstern und Türen.

Thomas Kössler: Sobald der Sensor in Betrieb ist, beginnt die Aufzeichnung der Nutzung. Nicht nur die Zyklenzahl wird ab dann mitgezählt, auch starke Erschütterungen, ein Offenstand oder zu hohe Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Neigung des Flügels werden alarmiert und registriert. Für Tür- und Fensterbauer sind das wichtige Indizien welche bereits mit der Montage die Qualität und die Lebensdauer der Bauteile mitbestimmen. Nebenbei bemerkt, beginnt die Garantiefrist oftmals erst viel später mit der Bauabnahme zu laufen.

In der späteren Nutzungsphase meldet sich die Türe wie gesagt selbstständig bei der Servicefirma oder beim internen technischen Dienst. So können Schäden vermieden werden und die Lebensdauer der Türe wird erheblich verlängert. Gleichzeitig werden Personenströme erkennbar, d.h. die Eigentümer kann ganz gezielte Massnahmen treffen, Investitionen werden planbarer und effizienter. Bei Umnutzungen oder Erweiterung der Immobilie kann das System problemlos erweitert werden. Die verantwortlichen Stellen haben gleichzeitig jederzeit den Überblick zum Zustand der Türen und haben mit dem QID-TAG die spezifischen Angaben von überall aus griffbereit.

Nötige Wartungs- und Reparaturinterventionen werden transparenter und besser planbar. Dabei können unumgängliche betriebliche Beeinträchtigungen z.B. Sperrungen, Umleitungen usw. mit der Mieterschaft im Voraus und besser abgestimmt werden.

Ganz nebenbei sollte unser Anspruch bei der Digitalisierung darin bestehen, die Kundenbedürfnisse besser zu verstehen, und nicht nur darin, z.B. Textnachrichten als pdf’s zu speichern.

 

Aber diese Bauteile werden doch erst nach der Bauphase genutzt. Was kann hier schon geschehen?

Karl Neumüller: Fenster und Türen werden in einer frühen Bauphase schon eingebaut und unterliegen einer hohen Beanspruchung durch den Bauprozess. Nach der Abnahme gibt es keine Kontrolle mehr darüber, was mit diesen qualitativ hochstehenden Produkten passiert. Heute können sowohl ein unsachgemässer Gebrauch als auch z.B. eine zu hohe Luftfeuchtigkeit am Bau eindeutig nachgewiesen werden. Tür- und Fensterbauer sind auf einmal in der Lage, hier die Schadensursachen klar darzustellen und sich abzugrenzen. Gemeinsam mit der Bauleitung können zudem rechtzeitige und geeignete Massnahmen zur Schadensverhinderung getroffen werden. Die heute aufwendigen und zeitintensiven Diskussionen können somit stark reduziert werden.

   

Und wie äussert sich das bezüglich dem finanziellen Mehrwert?

Karl Neumüller: Es zeigt sich, dass – und das ist wirklich das Beste daran – sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die Installation der Lösung von PortaNet bereits nach der Bauphase «rentiert» und abbezahlt ist. Ein klarer Nutzen: schnell, einfach kommunizierbar und durch die Cloud-Lösung haben Sie alle Baustellen der Schweiz auf einen Blick in Echtzeit sichtbar. Einfach überall, wo Sie die Sensoren und TAGs bereits in dieser Phase einsetzen.

Das heisst, Sie konzentrieren sich fortan auf die Bauphase?

Karl Neumüller: Nein, bei weitem nicht. Aber es ist schön, wenn wir nicht zwei bis drei Jahre warten müssen, bis sich eine Investition auszahlt.  Natürlich hat die Lösung einen konkreten Einfluss auf die folgenden Phasen «Nutzung» und «Wartung». Aktuell haben wir in unserem Innosuisse-Projekt diverse Gebäude ausgestattet – u.a. ein Schweizer Kantonspital und einen grossen Schweizer Flughafen. Über 200 Sensoren sind im Einsatz. Die Daten liefern dabei die Grundlage für die fundamentale Frage: werden die Schweizer Türen und Fenster richtig gewartet?

 

 Das verstehe ich jetzt nicht. Bitte erläutern Sie dies.

Karl Neumüller: Grundsätzlich gilt in der Schweiz die Vorgab, dass Türen mit einem Schutzziel (z.B. Brandschutztüren) mindestens einmal pro Jahr oder alle 50'000 Zyklen gewartet werden müssen. Die Anzahl der Zyklen ist eine Farce, da heute keine Person bei der überwiegenden Anzahl der Türen weiss, wie viel die Elemente überhaupt «laufen». Wir sehen ganz klar, dass die Mehrheit aller Türen die Zyklenzahl von 50'000 nach einem Jahr gar nicht erreicht hat. Dagegen gibt es eine kleine Anzahl von Elementen, z.B. Brandschutztüren, die diese Zahl bereits nach drei oder sechs Monaten erreichen und folglich oft dann «ihren Dienst quittieren», da eine unterjährige Wartung eigentlich notwendig wäre.

 

 Und das ergibt nun mehr Potenziale für Unternehmen, die im Bereich Wartung aktiv sind.

Karl Neumüller: Korrekt! Denn durch die besseren Daten können diese Unternehmen ein noch besseres und individuelleres Wartungsangebot bei gleichzeitig geringerer Kosten anbieten. Mehr Umsatz, mehr Profitabilität und eine stärkere Kundenbindung sind das Ergebnis. Wir sind hier im Projekt aktuell noch daran, zusammen mit unseren Partnern entsprechende Szenarien auszuarbeiten.

Ich muss zugeben, das hört sich äussert spannend an. Welche Auswirkungen hat das noch, wenn Sie die Möglichkeit haben, z.B. Zyklen zu zählen?

Karl Neumüller: Ein Beispiel sind Investitionsentscheidungen. Wenn Sie beispielsweise hochfrequentierte Drehtüren in Ihrem Gebäude haben, können Sie entscheiden, ob Sie diese durch elektrische Schiebetüren ersetzen. Diese beratende Möglichkeit schafft wiederum Kundenbindung und sogar die Möglichkeit eines «Lock-In»-Effekts - oder kennen Sie noch andere Unternehmen, die grosse Gebäudebesitzer so beraten können? Auch wenn Sie sehen, dass gewisse Bauteile bei einer gewissen Beanspruchung immer wieder kaputtgehen, hat dies beträchtliche Auswirkungen auf Ihre zukünftige Produktentwicklung.

 

Das klingt sehr interessant, auf welchem Weg gelange ich nun am besten zu PortaNet und was kostet das alles?

Thomas Kössler: Auf unserer Homepage finden Sie weitere und detaillierte Informationen. Eigentümer oder Verwaltungen sprechen am besten Ihren Lieferanten auf unsere Lösung an. Fach- und Wartungsfirmen sowie Planer nehmen am besten direkt mit PortaNet Kontakt auf.

 

Herr Kössler, Herr Dr. Neumüller, vielen Dank für das spannende und informative Gespräch!

 

 

 

Sandra Grau